Gehaltvolle Rente gesucht

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Urlaubsgeld, Prämien oder normale Monatsbezüge: Wer betrieblich fürs Alter vorsorgt, hat ein Recht auf staatliche Förderung. Beliebt sind Direktversicherungen. BÖRSE ONLINE zeigt, für wen sie sich lohnen.
Uwe Saßmannshausen - Geschäftsführender Gesellschafter - PS-Pension Solutions GmbH

Uwe Saßmannshausen – Geschäftsführender Gesellschafter – PS-Pension Solutions GmbH

Sie könnte auch Eichel-Rente heißen. Im Jahr 2002 beschloss die rot-grüne Bundesregierung, dass jedes Pflichtmitglied der gesetzlichen Rentenversicherung das Recht hat, Bestandteile seines Gehalts für die betriebliche Altersvorsorge umzuwandeln. Federführend war der damalige Finanzminister Hans Eichel. Doch der Politiker hat sich mit seinem Namen nicht durchgesetzt – im Gegensatz zu Arbeitsminister Walter Riester und Regierungsberater Bert Rürup. Ebenso wie Riester- und Rürup-Rente wird die Entgeltumwandlung, so die offizielle Bezeichnung, staatlich gefördert. Konkret geht es dabei um eine Versicherung, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abschließt. Es kann sich um eine Renten-, eine Hinterbliebenen-, eine Berufsunfähigkeitspolice oder um eine Kombination von Angeboten handeln.

Der Clou: Pro Jahr sind Einzahlungen von maximal 2640 Euro frei von Steuern und Sozialabgaben. Weitere 1800 Euro sind steuerfrei, aber sozialabgabenpflichtig. Die konkreten Euro-Grenzen ändern sich zwar von Jahr zu Jahr, aber die Grundidee bleibt dieselbe: Nach der Pensionierung können Sozialabgaben sinken oder komplett wegfallen. Außerdem zahlen die meisten Arbeitnehmer im Alter geringere Steuern als während der Berufstätigkeit, was eine verzinste Steuerstundung bedeutet. Beides führt unter bestimmten Voraussetzungen zu erheblichen finanziellen Vorteilen (siehe Tabelle Seite 56). Der Arbeitgeber kann etwas zuzahlen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Er entscheidet außerdem, welches Vehikel er für die Gehaltsumwandlung benutzt – Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung.

Letztere Alternative ist bei Neuabschlüssen am häufigsten, weil sie relativ wenig Verwaltungsaufwand erfordert. Die meiste Arbeit erledigen die anbietenden Versicherer. Außerdem haftet für das sogenannte Deckungs-kapital stets der Versicherer. “Selbst bei einer Insolvenz des Arbeitgebers geht nichts verloren”, erklärt Uwe Saß-mannshausen von der Beratungsfirma Pension Solutions. Versicherungsnehmer ist stets der Arbeitgeber, und der Arbeitnehmer ist die versicherte Person.

Policen-Pflicht

Welche Fragen bei der Entgeltumwandlung wichtig sind. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Prämien, Boni oder normales Gehalt – es gibt genügend Finanzquellen für eine Entgeltumwandlung via Direktversicherung. Ob dieser Weg generell sinnvoll ist, zeigen einige Fragen:

Will ich tatsächlich eine Rentenversicherung abschließen? Anders als bei Riester-Verträgen sind Fonds- oder Banksparpläne hier außen vor. Wie wirkt sich meine Gehaltshöhe aus? Bei mittleren Einkommen können die Vorteile relativ gering sein. Wie wirkt sich meine Art der Krankenversicherung aus? Bei gesetzlicher Absicherung sinkt die Attraktivität. Wann gehe ich in Ruhestand? Bei niedrigen Bezügen kann der Ertrag bei kurzen Laufzeiten extrem hoch sein. Was ist mein voraussichtlicher Steuersatz im Ruhestand? Je größer die Differenz zum aktuellen Wert, desto größer sind die Vorteile. Zahlt mein Arbeitgeber etwas dazu? Das ist oft ein Renditeturbo.

Es gibt betriebliche Direktversicherungen in zwei Varianten. Üblich ist die klassische Form, bei der eine bestimmte Mindestverzinsung garantiert ist. Diese macht bei Neuverträgen zurzeit 2,25 Prozent aus. Allerdings wird nicht die gesamte Einzahlung verzinst, sondern nur der Teil, der nach Abzug der Kosten für die Geldanlage übrig bleibt. Zweite Variante sind fondsgebundene Policen, die höhere Chancen und Risiken bieten. Hier gibt es auch verschiedene Arten von Garantien, die allerdings jeweils an der Rendite nagen. Die Eigenschaften von Direktversicherungen sind zum großen Teil dieselben wie bei ungeförderten Policen. Vorteile: Je nach Variante und Anbieter sind gute Renditen bei hoher Sicherheit erzielbar. Außerdem wird keine Abgeltungsteuer fällig. Und man kann ein Kapitalwahlrecht bei Fälligkeit vorsehen, also die Wahlmöglichkeit zwischen einer Rentenauszahlung und der Auszahlung auf einen Schlag.

Nachteile: Die Abschlusskosten sind oft hoch und werden zudem üblicherweise auf die Anfangszeit des Vertrags verteilt. So ist in vielen Fällen auch nach Jahren weniger im Topf, als eingezahlt wurde – und der Zinseszinseffekt bei der Rendite kommt stark verzögert zum Tragen.

Spezielles Manko bei Direktversicherungen: Üblicherweise darf die Auszahlung erst mit dem Erreichen der vereinbarten Altersgrenze beginnen, frühestens mit 62 Jahren. So mahnt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: “Interessenten sollten sich überlegen, ob sie auch ohne die staatliche Förderung auf die Idee kommen würden, einen so lang laufenden Vertrag abzuschließen.” Wer sollte nun eine Gehaltsumwandlung via Direktversicherung eingehen? Grundsätzlich gilt: Die Sozialversicherungsfreiheit bis 2640 Euro nutzt einem nur in dem Maße, in dem man tatsächlich Sozialabgaben zahlt. Oberhalb bestimmter Einkommens-schwellen sind keine Beiträge mehr fällig. Wer privat krankenversichert ist, zahlt von vornherein nichts in die gesetzlichen Kassen ein. Ergebnis: Attraktive Renditen lassen sich gerade dann erzielen, wenn das Einkommen besonders niedrig – wegen der gesparten Sozialabgaben – oder besonders hoch ist – wegen der Steuerersparnis im Alter (siehe Tabelle Seite 56). Bei den Laufzeiten ist kein eindeutiger Effekt feststellbar: Mal sinken die Renditen mit der Anzahl der Jahre, mal steigen sie.

Zur Vereinfachung haben wir nicht berücksichtigt, dass eine zusätzliche steuerfreie Einzahlung von 1800 Euro möglich ist. Wer dieses Geld drauflegt, wird zumindest bei hohen Einkommen vermutlich noch bessere Ergebnisse erzielen. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist ein Manko der Entgeltumwandlung: Wenn weniger Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung fließen, fällt die staatliche Altersrente möglicherweise geringer aus.

In jedem Fall wirkt es sich positiv aus, wenn der Chef freiwillig etwas zuzahlt. Für solch einen Schritt gäbe es gute Gründe: Immerhin spart der Arbeitgeber Geld, wenn der Arbeitnehmer eine Entgeltumwandlung vornimmt, nämlich den Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Sozialversicherung: Dieser kann knapp 20 Prozent betragen, was ? wiederum abhängig von den Beitragsbemessungsgrenzen und der Art der Krankenversicherung – möglicherweise mehr als 500 Euro im Jahr ausmacht. Wenn davon etwas in den Vertrag fließt, “kann dies die Rendite deutlich verbessern”, sagt der Münchner Versicherungsberater Rolf Schulte. Noch in anderer Hinsicht kommt dem Chef eine entscheidende Bedeutung zu: Er bestimmt den Versicherer. Wenn der Arbeitgeber Zugriff auf einen attraktiven Gruppenvertrag hat, kann das in Bezug auf die Kosten enorme Vorteile für den Arbeitnehmer haben. Vor allem bei Branchenlösungen sind angesichts der großen Zahl der Teilnehmer die Abschlusskosten gering bis null. Solche tarifvertraglichen Übereinkommen gibt es etwa im Baugewerbe, bei den Chemiefirmen, den Druckbetrieben, der Metall- und Elektroindustrie sowie vielen kleineren Sparten. Wenn der angebotene Kontrakt wenig attraktiv ist, kann der Arbeitnehmer nur noch versuchen, auf eigene Faust eine Alternative aufzutun und den Arbeitgeber davon zu überzeugen. “Man sollte darauf achten, dass der Anbieter finanzstark ist und geringe Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten hat”, meint Schulte. Ein gutes Maß für die Qualität des Anbieters ist die garantierte Leistung, die ein Vermittler ausrechnen kann. Selbst wenn man einen guten Versicherer gefunden hat, muss diese Verbindung nicht ewig halten – wenn man seinen Arbeitsplatz wechselt. Denn der Arbeitgeber darf den mitgebrachten Versicherer ablehnen und auf einer anderen Gesellschaft bestehen. Dann ist ein neuer Vertrag fällig. Theoretisch geht solch ein Wechsel aber problemlos über die Bühne. Denn fast alle Versicherer, die in Deutschland aktiv sind, haben sich verpflichtet, in solchen Fällen keine neuen Provisionen zu berechnen. Sie verlangen auch keine neue Gesundheitsprüfung. Dennoch können sich die Konditionen verschlechtern, etwa wenn sich in-zwischen der staatlich vorgegebene Garantiezins verringert hat. Zudem muss der neue Chef keine identische, sondern lediglich eine wertgleiche Zusage stricken. Erhält der alte Vertrag beispielsweise einen Invaliditätsschutz, könnte dieser entfallen oder geringer werden, wenn es dafür im Gegenzug mehr Alters- oder Hinterbliebenenrente gibt. Auch kann der neue Versicherer schlicht und einfach leistungsschwach sein. Weiterer Nachteil: Die Übertragung kann Monate dauern, da weder der abgebende Versicherer noch der Vermittler Interesse an solch einem Vorgang haben. Arbeitnehmer haben nach dem Verlassen einer Firma ein Jahr Zeit für eine Wechselanmeldung. Bis dahin können sie ihre Betriebsrente abholen, um sie bei der neuen Firma einzuzahlen. Für die Zusatzversorgung von Angestellten im öffentlichen Dienst, die per Umlage finanziert wird, gilt das Mitnahmerecht nicht. Nur wenn ein öffentlich Bediensteter Anspruch auf eine kapitalgedeckte Zusatzrente hat oder ein eigenes Gehalt einzahlt, kann er sein Geld mitnehmen. Beamte sind bei der Entgeltumwandlung sowieso außen vor, weil sie nicht gesetzlich rentenversichert sind. Und was passiert, wenn jemand seinen Vertrag nicht fortführen will, weil der Anbieter ihm nicht mehr passt, oder er nicht kann, weil er arbeitslos geworden ist? In jedem Fall kann er den Vertrag beitragsfrei stellen, also nichts mehr ein-zahlen. Das ist zumeist auch die beste Lösung.

Denn eine Kündigung ist erstens gesetzlich eingeschränkt und zweitens “sehr teuer”, sagt Saßmannshausen von Pension Solutions. Sämtliche Vorteile bei Steuern und Sozial-abgaben müssen dann zurückgezahlt werden. Der Experte hält auch eine private Weiterführung für wenig sinnvoll. “Man spart dann nämlich aus dem Nettogehalt und nicht mehr aus dem Bruttogehalt”, büße also die verzinste Steuerstundung ein. Noch schlimmer: Anleger zahlen Sozialbei-träge doppelt. Denn anders als im Steuerrecht gibt es im Sozialrecht kein Verbot der Doppelbelastung. So würden auf die Auszahlungen im Alter erneut Beiträge fällig.

Bei niedrigem Einkommen und kurzer Laufzeit am attraktivsten

Welche Rendite bringt eine Entgeltumwandlung? Steuern und Sozialabgaben haben entscheidenden Einfluss. Voraussetzungen: Einzahlung von maximal 2640 Euro pro Jahr. Kein Zuschuss durch Arbeitgeber. Keine Abschlussgebühren. Rendite der Beiträge von jährlich vier Prozent, Inflation von zwei Prozent. Steuersatz im Berufs-leben sinkt im Ruhestand auf 34 statt 44 und 20 statt 30 Prozent. Die Steuer wird auf die komplette Betriebsrente fällig. Gesetzlich kranken-versichert (außer Fall 4). Im Alter sind für Firmenrente 17,45 Prozent Sozialversicherungsbeitrag fällig (außer Fall 4).

Fall 1: Jährlicher Bruttolohn liegt unter der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung (2010: 45 000 Euro). Abzug bei der Einzahlung: die vollen Sozialversicherungsbeiträge von 20,525 Prozent (ab Juli: 20,625 Prozent).

Fall 2: Jährlicher Bruttolohn liegt über der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung, aber unterhalb der Grenze für die Arbeits-losen- und Rentenversicherung (2010: 55 800/66 000 Euro neue/alte Bundesländer). Abgezogen deshalb nur die Einzahlungen für Arbeits-losen- und Rentenversicherung von 11,35 Prozent (ab Juli: 11,45 Prozent). Im Alter sind für die Firmenrente 17,45 Prozent Sozialversicherungsbeitrag fällig.

Fall 3: Bruttolohn liegt über der Bemessungsgrenze für Arbeitslosen- und Rentenversicherung, deshalb kein Abzug von Sozialabgaben in der Einzahlungsphase.

Fall 4: Privat krankenversichert, im Alter fallen für die Firmenrente keine Sozialabgaben an; sonst wie Fall 3.

Erschienen in: BÖRSE ONLINE, 08.04.10
Von: Martin Reim