Jobwechsel inklusive

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Was passiert mit der Rente vom Chef, wenn der Mitarbeiter die Arbeitsstelle wechselt?
Er nimmt sie in der Regel einfach zum neuen Arbeitgeber mit.

Mit dabei: Wechselt der Arbeitnehmer seinen Job, zieht auch die Betriebsrente mit um.

Unternehmen halten trotz Wirtschaftskrise an der betrieblichen Altersvorsorgung (bAV) fest – oder bauen sie sogar aus“, formuliert die Beratungsgesellschaft Towers Watson ihr Fazit einer Fachkonferenz Ende Januar 2010. Und weiter: „Die bAV liefert gute Argumente, um die besten Köpfe für das eigene Unternehmen zu gewinnen, das wird spätestens im Aufschwung wieder relevant.“

Uwe Saßmannshausen - Geschäftsführender Gesellschafter - PS-Pension Solutions GmbH

Uwe Saßmannshausen – Geschäftsführender Gesellschafter – PS-Pension Solutions GmbH

Wohl wahr, und dabei lohnt es sich nicht nur für den Arbeitgeber, bei der bAV durchzuhalten, sondern erst recht für seine Mitarbeiter. Denn mit einer attraktiven Betriebsrente können sie, staatlich gefördert, die eigene Altersvorsorge deutlich aufstocken. Diesen gesetzlich verankerten Anspruch sollten Beschäftigte keinesfalls leichtfertig aufs Spiel setzen – auch nicht bei Jobangst oder Kurzarbeit. Zumal selbst bei Unternehmensinsolvenzen oder eigener Arbeitslosigkeit die bAV-Ansprüche geschützt sind. „Die Betriebsrente ist und bleibt sicher“, betont Frank Neuroth, zuständiger Vorstand bei den Ergo-Konzerngesellschaften.

Mit der Vorsorge über den Chef sparen Arbeitnehmer nicht nur Steuern, sondern auch Sozialabgaben. Per Entgeltumwandlung werden Teile des Gehalts in einen Vorsorgevertrag eingezahlt und damit in betriebliche Rentenanwartschaften umgewandelt. Auf welchem der fünf möglichen Durchführungswege das geschieht, bleibt grundsätzlich Sache des Unternehmens. Dank eines relativ geringen bürokratischen Aufwands und großer Flexibilität ist die Direktversicherung aber besonders beliebt. Mehr als 6,4 Millionen solcher Policen gibt es bereits.

Probleme der Praxis. Ein wichtiger Punkt in der aktuellen Arbeitswelt ist dabei die Frage nach der Mitnahme der Betriebsrente beim Jobwechsel, der sogenannten Portabilität. Denn die früher oft üblichen Beschäftigungsverhältnisse, wonach Mitarbeiter von der Ausbildung bis zur Rente in ein und demselben Unternehmen blieben, sind heute kaum noch zu finden. Zunehmend bringt die moderne gesellschaftliche Flexibilität auch den häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes mit sich. Da soll die Betriebsrente doch bitte schön mit wechseln. Das ist für einige Durchführungsarten wie etwa die Direktversicherung sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Dazu wird entweder der alte Vertrag unmittelbar vom neuen Arbeitgeber übernommen und weitergeführt, oder der bisher angesparte Vertragswert wird auf eine neue Police beim neuen Chef übertragen.

„Dem Grunde nach ist das Thema Portabilität zwar gut verankert, aber bei den Unternehmen hapert es an der praktischen Umsetzung“, weiß Uwe Saßmannshausen, Geschäftsführer von PS – Pension Solutions, einem unabhängigen Dienstleister rund um die betriebliche Altersvorsorge. „Da ist noch vieles fehlerhaft.“

Freiwillige Branchenlösung. Dabei gibt es immerhin ein spezielles Übertragungsabkommen der Versicherungswirtschaft, dem die allermeisten Gesellschaften auch beigetreten sind. Das kann nach eigenen Angaben sogar mit zahlreichen Zusatzvorteilen gegenüber den gesetzlichen Vorgaben punkten. So verzichten die per Abkommen verpflichteten Versicherungsunternehmen bei der Übertragung von Betriebsrenten auf erneute Abschlusskosten, auf eine neue Gesundheitsprüfung und auf Abzüge von der Sparsumme. Zudem ist die Portabilität in unbegrenzter Werthöhe sowie zeitlich unbeschränkt möglich. Und normierte Formulare sollen das Verwaltungsverfahren vereinfachen.

Doch selbst damit sind noch nicht alle Fragen geklärt. „Das Übertragungsabkommen der Versicherungen ist mit guter Absicht installiert, wird aber der Komplexität der Entgeltumwandlung nicht gerecht“, sagt PS-Chef Saßmannshausen. „Die Produktgeber haben für die Nachbetreuung beim Jobwechsel keine Lösungen parat, meist fehlt eine wechselbegleitende Unterstützung für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.“ Beschäftigte sollen also beim Umzug ihrer Betriebsrente zum neuen Arbeitgeber stets kontrollieren (lassen), ob wirklich alle bereits erworbenen Ansprüche mit Gepäck sind.

Starkes Engagement

Bei allen fünf Durchführungswegen der staatlich geförderten betrieblichen Altersvorsorge ist die Versicherungsbranche dabei: Bei Direktversicherungen unmittelbar als Vertragspartner, bei Direktzusagen sowie Unterstützungskassen als Rückdeckungsversicherung und als mittelbar Beteiligte bei den versicherungsförmigen Versorgungseinrichtungen Pensionskasse sowie Pensionsfonds (2002 neu eingeführt).

MONEYINTERVIEW

„Betriebsrente ist sicher“

Frank Neuroth, Vorstand der Lebensversicherungen im Ergo-Konzern, zu den aktuellen Entwicklungen der betrieblichen Altersvorsorge und der Portabilität von Versorgungsansprüchen.

FOCUS-MONEY: Für die Versicherungsbranche wird 2010 ein Jahr der Wahrheit. Ist die Betriebsrente da noch sicher?

Frank Neuroth: Sie ist sicherer als alle anderen Sparformen, weil es sehr viele Auffangnetze gibt. Direktversicherungen und die Pensionskassen der Versicherer sind durch die Sicherungseinrichtung Protektor geschützt, die anderen betrieblichen Vorsorgewege durch den Pensionssicherungsverein. Der hat seit seiner Gründung schon etliche Unternehmensinsolvenzen verkraftet.

MONEY: Aber hat die ausgeweitete Kurzarbeit während der Krise nicht große Lücken in die betriebliche Vorsorge der Beschäftigten gerissen?

Neuroth: Die Zahlung der Beiträge entscheidet sich im Portemonnaie des Arbeitnehmers. Die Versicherungswirtschaft hat dabei eine Fülle von Zugeständnissen gemacht, vor allem bezüglich der Folgen von Beitragsrückständen der Kunden. Richtig ist aber auch, dass sich die Stornoquote im Krisenjahr 2009 branchenweit von etwa 2,5 auf fünf Prozent verdoppelt hat.

MONEY: Zudem muss sich die Betriebsrente in Konkurrenz zu den ebenfalls staatlich geförderten Riester- und Rürup-Renten behaupten.

Neuroth: Rürup-Verträge spielen beim Arbeitnehmer praktisch keine Rollte, da hat die Betriebsrente eindeutig Vorrang. Auch zu Riester-Verträgen ist der Wettbewerb gar nicht so groß, weil beide Produkte eine unterschiedliche Kundenstruktur haben: Geringverdiener riestern eher, während Besserverdiener mehr auf die höheren Steuervorteile und die Sozialabgabenfreiheit der Betriebsrente setzen.

MONEY: Dabei investieren Arbeitnehmer durchschnittlich doch nur 1200 Euro pro Jahr in eine Betriebsrente. Das ist angesichts der maximalen Förderbeträge von steuer- und sozialabgabenfreien 2640 Euro (im Jahr 2010) sowie nochmals steuerfreien 1800 Euro doch eher bescheiden. Machen die Anbieter was falsch?

Neutroth: Das Potenzial ist in der Tat noch nicht mal zur Hälfte ausgeschöpft. Daran müssen wir arbeiten. Wobei ich mich schon frage, warum die ergänzenden 1800 Euro nicht auch sozialabgabenfrei sein dürfen. Da sollte die Politik nachbessern.

MONEY: In der modernen flexiblen Arbeitswelt ist die Übertragbarkeit der Betriebsrente beim Jobwechsel wichtig. Da hakt es aber auch häufig noch.

Neuroth: Insgesamt läuft die Portabilität eigentlich gut. Bei größeren Arbeitgebern kann der Mitarbeiter meist auch weiter in seinen bestehenden Vertrag einzahlen. Andere Firmen wollen das oft nicht, dann werden eben die bis dahin angesparten Mittel auf den neuen Vertrag beim neuen Arbeitgeber übertragen.

MONEY: Das kann bei frühem Wechsel wegen der hohen Anfangskosten von Direktversicherungsverträgen durch Entgeltumwandlung aber dazu führen, dass der Arbeitnehmer weniger herausbekommt, als er eingezahlt hat. Sind diese Probleme durch neue Arbeitsgerichtsurteile nun endlich geklärt?

Neuroth: Weitgehend ja. Eine Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre ist zulässig. Und auch wenn dies in der Police nicht so ist, wird die Entgeltumwandlung nicht nichtig, sondern das führt zu einer Aufstockung der Betriebsrente. Beim Arbeitgeberwechsel wird es in der Regel so gehandhabt, dass beim alten Vertrag keine Abschlusskosten erhoben werden.

MONEY: Ist das in dem freiwilligen Übertragungsabkommen der Versicherungen so geregelt, und sind Ihre Gesellschaften dort beigetreten?

Neuroth: Ja natürlich. Nur falls der Beschäftigte die Betriebsrente nicht weiter fortführt oder kündigt, bleibt auch nach den Urteilen noch offen, wie eine mögliche unangemessene Benachteiligung im Einzelfall zu handhaben ist.

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Erschienen in: Focus Money, 10/2010
Von: Werner Müller