Sparen mit dem Klementine-Effekt

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Eine aktuelle Umfrage zeigt: Wer Bedenken überwindet und betrieblich fürs Alter vorsorgt, bereut es selten. Üblicher Weg ist die direkte Umwandlung von Gehalt

Diese Spots liefen fast 20 Jahre lang im Fernsehen:

Uwe Saßmannshausen - Geschäftsführender Gesellschafter - PS-Pension Solutions GmbH

Uwe Saßmannshausen – Geschäftsführender Gesellschafter – PS-Pension Solutions GmbH

Die Hausfrau rauft sich die Haare, ihre frische Wäsche hat noch Schmutzränder. Aussichtslos, oder? „Nein!“, ruft die resolute Dame in Latzhose und kariertem Hemd. Klementine, man liest ihren Namen auf Hose und Mütze, hat es ausprobiert: Ihr Waschmittel „macht nicht nur sauber, sondern rein“. Die Kleidung kommt strahlend aus der Maschine, die Zweiflerin ist überzeugt. Betriebliche Altersvorsorge (bAV) hat diesen Klementine-Effekt: Wer sie nicht hat, ist oft skeptisch. Und wer sie hat, ist begeistert. Das zeigt eine Studie im Auftrag des Versicherers Ergo. Das Kölner Marktforschungsinstitut Heute und Morgen hat etwa 1000 Bundesbürger befragt, deren Antworten BÖRSE ONLINE vorab vorliegen. Noch nie gab es eine Untersuchung unter Arbeitnehmern in solch einer Tiefe.

Ergebnis: „Wer keine betriebliche Altersversorgung abschließt, verschenkt Geld“ – dieser Aussage stimmten 36 Prozent der Habenichtse zu, aber 67 Prozent der Besitzer. Und bei der Zustimmung zur Aussage, betriebliche Altersvorsorge sei grundsätzlich vorteilhaft, liegt die Relation bei 54 zu 83 Prozent. Im Klartext: Wer die bAV nutzt, ist von ihr überzeugt. Die Mehrheit kann jedoch mit dem Thema noch recht wenig anfangen – und lässt sich so eine Extrarente entgehen. Worum geht es bei diesem Wundermittel? Der häufigste Weg bei Neuverträgen ist die Entgeltumwandlung via Direktversicherung. Der Arbeitgeber schließt für den Arbeitnehmer eine Police ab, dieser lässt einen Teil seines Gehalts hineinfließen. Es handelt sich um Altersrenten mit oder ohne Hinterbliebenen- oder Berufsunfähigkeitsleistungen. Der Clou: Einzahlungen sind bis maximal 2640 Euro pro Jahr frei von Steuern und Sozialabgaben. Für Kontrakte, die seit Anfang 2005 abgeschlossen wurden, sind jährliche Einzahlungen von weiteren 1800 Euro steuerfrei, aber sozialabgabenpflichtig. Die Grundidee: Im Ruhestand zahlen die meisten Arbeitnehmer geringere Steuern als während der Berufstätigkeit, außerdem können Sozialabgaben sinken oder komplett wegfallen. All dies führt unter bestimmten Voraussetzungen zu erheblichen finanziellen Vorteilen. Die Konditionen können für manche Sparer attraktiver sein als jene, die für die ? gleichfalls staatlich unterstützten ? Riester- und Rürup-Renten gelten. So sind beim Riestern lediglich pro Jahr maximal 2100 Euro minus Zulagen steuerfrei einzahlbar. Wer nun meint, dass er bei der bAV auf den guten Willen seines Arbeitgebers angewiesen ist, irrt: Es existiert ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung. Er gilt für jedes Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung, also für die meisten Angestellten und eine Reihe von Selbstständigen. Wer noch bis Jahresende abschließt, bekommt die volle Förderung.

Die Eigenschaften von Direktversicherungen sind zum großen Teil dieselben wie bei ungeförderten Policen. Ihre Vorteile: Je nach Variante und Anbieter sind gute Renditen bei hoher Sicherheit erzielbar. Außerdem wird keine Abgeltungsteuer fällig. Und man kann ein Kapitalwahlrecht bei Fälligkeit vereinbaren, also die Wahlmöglichkeit zwischen einer Rentenauszahlung und der Auszahlung auf einen Schlag. Das Versicherungsunternehmen haftet für das sogenannte Deckungskapital. „Selbst bei einer Insolvenz des Arbeitgebers geht nichts verloren“, erklärt Uwe Saßmannshausen von der Beratungsfirma Pension Solutions. Es gibt betriebliche Direktversicherungen in zwei Varianten. Üblich ist die klassische Form, bei der eine Mindestverzinsung garantiert ist. Diese macht bei Neuverträgen zurzeit 2,25 Prozent aus. Allerdings wird nicht die gesamte Einzahlung verzinst, sondern nur der Teil, der nach Abzug der Kosten für Risikoleistungen, Abschluss und Verwaltung für die Geldanlage übrig bleibt. Eventuelle Überschüsse kommen hinzu – deren Höhe ist allerdings nicht garantiert.

Zweite Variante sind fondsgebundene Policen, die höhere Chancen und Risiken bieten. Hierbei gibt es verschiedene Arten von Garantien, die jedoch an der Rendite nagen. Sehr wichtig für die Rendite ist auch das Verhalten des Arbeitgebers. Er kann etwas zuzahlen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Für eine positive Entscheidung gäbe es gute Gründe: Immerhin spart der Arbeitgeber Geld, wenn der Arbeitnehmer eine Entgeltumwandlung vornimmt, nämlich den Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Sozialversicherung: Dieser kann knapp 20 Prozent betragen, was teilweise mehr als 500 Euro im Jahr ausmacht. Wenn davon etwas in den Vertrag fließt, „kann dies die Rendite deutlich verbessern“, sagt der Münchner Versicherungs- und Anlageberater Rolf Schulte. Die konkrete Ersparnis hängt unter anderem davon ab, ob das Einkommen über den Pflichtgrenzen für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung liegt.

Auch die Art der Krankenversicherung spielt eine gewichtige Rolle. Noch in anderer Hinsicht kommt dem Chef eine entscheidende Bedeutung zu: Er bestimmt den Versicherer. Wenn der Arbeitgeber Zugriff auf einen attraktiven Gruppenvertrag hat, kann das wegen der Kostenersparnis enorme Vorteile für den Arbeitnehmer haben. Vor allem bei Branchenlösungen sind angesichts der großen Zahl der Teilnehmer die Abschlusskosten gering bis null. Solche tarifvertraglichen Übereinkommen gibt es etwa im Baugewerbe, bei den Chemiefirmen, den Druckbetrieben, der Metall- und Elektroindustrie sowie vielen kleineren Sparten. Wenn der angebotene Kontrakt wenig attraktiv ist, kann der Arbeitnehmer versuchen, auf eigene Faust eine Alternative aufzutun und den Arbeitgeber davon zu überzeugen. „Man sollte darauf achten, dass der Anbieter finanzstark ist und geringe Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten hat“, rät Schulte.

Doch welche Versicherer könnten in die engere Wahl kommen?

Das Weidener Institut für Vorsorge und Finanzplanung hat jüngst über 100 Direktversicherungstarife von 53 Gesellschaften untersucht. Kriterien waren Unternehmenssicherheit, Rendite, Flexibilität und Transparenz. Die Bewertung fand in drei unterschiedlichen Klassen statt. Kategorie eins: fondsgebundene Tarife, bei denen zum Ende der Laufzeit mindestens die eingezahlten Beiträge garantiert sind. Allenfalls dürfen Zahlungen für zusätzliche Leistungen abgezogen werden, etwa wenn eine Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversicherung integriert ist. Hier gewinnt der Volkswohl Bund, gefolgt von der Allianz, HDI-Gerling, PBV und Hannoversche.

Die zweite Kategorie umfasst fondsgebundene Versicherungen, bei denen die Leistung auf Basis des Beitrags bestimmt und zugesagt wird. Hier führt die Allianz, gefolgt von Zürich Deutscher Herold, Hannoversche, Nürnberger und Condor.

Dritte Kategorie sind klassische Tarife mit Garantiezins. In Führung: Debeka, gefolgt von der Allianz, Hannoversche, Zürich Deutscher Herold und Aachen- Münchener. „Je größer die Bandbreite an Variationsmöglichkeiten ist, desto besser wurde ein Tarif respektive Anbieter bewertet“, sagt Institutschef Thomas Dommermuth. Hier hätten sich vor allem Deutscher Ring, Ergo, Hannoversche, Versicherungskammer Bayern und der Volkswohl Bund hervorgetan. Vor Kurzem hat sogar das Bundesverfassungsgericht weitere Argumente für die Vorsorge via Arbeitgeber geliefert. Es entschied, dass Sozialabgaben nicht auf alle Betriebsrenten zu zahlen sind. Voraussetzung: Der Vertrag muss vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen sein. Das ist möglich, wenn man seine Police privat fortführt, etwa im Falle des Jobverlusts oder während der Elternzeit. Bislang hatten Experten empfohlen, seinen Kontrakt in solchen Fällen ruhen zu lassen, weil die staatlichen Förderungen wegfallen. Die genauen Rechenregeln muss nun noch das Bundessozialgericht bestimmen. Doch schon jetzt ist klar: Die betriebliche Altersversorgung strahlt, als wäre sie frisch gewaschen. Nun muss es nur noch jemand sehen.

Erschienen in: BÖRSE ONLINE, 18.11.2010
Von: Martin Reim