Verschmähtes Geschenk

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Anders als die Riester-Rente ist die betriebliche Altersversorgung ein Ladenhüter, obwohl viele von ihr profitieren könnten.

Geht es um Vorsorge, geht es in der Regel um Lücken. Die wohl bekannteste ist die Rentenlücke.

Uwe Saßmannshausen - Geschäftsführender Gesellschafter - PS-Pension Solutions GmbH

Uwe Saßmannshausen – Geschäftsführender Gesellschafter – PS-Pension Solutions GmbH

Vor rund sieben Jahren hat der damalige Bundesarbeitsminister Walter Riester einen populären Lückenfüller geschaffen: mit der nach ihm benannten Rente. Heute sorgen fast 15 Millionen Bundesbürger mit der Riester-Rente vor. Bereits zwei Jahre vor Riester hatte der Bund einen weiteren Lückenfüller neu ausgerichtet: die betriebliche Altersvorsorge (bAV). Die ist jedoch mit einer weiteren Lücke verbunden – einer Wissenslücke. Laut einer Umfrage des Versicherers Ergo fühlt sich noch nicht einmal jeder vierte Arbeitnehmer von seinem Chef zum Thema betriebliche Altersversorgung gut informiert. Noch weniger wissen, dass ihr Arbeitgeber ihnen auf Wunsch einen Teil des Gehalts zur Altersvorsorge abzweigen muss. Dieser Vorgang heißt im Beamtendeutsch Entgeltumwandlung. Diese findet in der Regel bereits beim Bruttoeinkommen, seltener beim Nettoeinkommen statt. Die Politik trägt kaum Schuld an der schwachen Nachfrage: „Die betriebliche Altersversorgung ist ein gelungenes Reformwerk“, sagt Uwe Saßmannshausen, dessen Firma Pension Solutions Unternehmen in Sachen Betriebsrenten berät. Seiner Ansicht nach liegt viel an den Arbeitnehmern. Denn sie machen von ihrem Recht auf betriebliche Altersversorgung zu wenig Gebrauch, dabei lohnt sich die Vorsorge. Ein großer Vorteil der betrieblichen Altersversorgung ist die nachgelagerte Besteuerung, da bei der Entgeltumwandlung die Beiträge bereits vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers abgehen. In der Regel können Arbeitnehmer im Jahr bis zu vier Prozent der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung in eine Betriebsrente stecken. Das entspricht 220 Euro monatlich. Steuer- und sozialabgabenpflichtig wird erst die Betriebsrente. Und die liegt in der Regel unter dem ehemaligen Bruttoeinkommen. „Bei dieser `verzinsten Steuerstundung` steckt der Arbeitnehmer – vereinfacht ausgedrückt – per Entgeltumwandlung 50 Euro netto hinein und bekommt am Ende etwa 200 Euro heraus“, sagt Uwe Saßmannshausen. Vorausgesetzt, dass jeder Arbeitnehmer sechs bis acht Prozent seines Bruttoeinkommens zur Seite legen würde, um seine Rentenlücke zu schließen, hätte ein Angestellter, der brutto 66000 Euro im Jahr verdient, mit der betrieblichen Altersvorsorge erst gut die Hälfte abgedeckt. Für diese Gehaltsklasse ist das zu wenig. Daher können alle, die mehr verdienen, weitere 1800 Euro in die Betriebsrente fließen lassen. Der Arbeitgeber entscheidet, wie die Betriebsrente letztendlich aussieht. Es gibt fünf Wege der betrieblichen Altersvorsorge, der momentan populärste unter ihnen ist die Direktversicherung. Dazu schließt der Arbeitgeber mit einer Versicherung einen Einzel- oder Gruppentarif bei deiner Lebensversicherungsgesellschaft ab. Die Beiträge hierfür kommen in der Regel per Entgeltumwandlung vom Arbeitnehmer. Das gilt für die übrigen Wege, wobei der Arbeitgeber auch von sich aus etwas draufzahlen kann. Pensionskassen sind Unternehmen, die von einem oder mehreren Unternehmen getragen werden. Pensionsfonds sind – wie die Direktzusage und die Unterstützungskasse – frei in ihrer Anlagepolitik. Das bedeutete für den Angestellten höhere Renditechancen, aber auch die Gefahr, am Ende nicht mehr als seine eingezahlten Beiträge herauszubekommen. Wie Riester-Produkte müssen auch die Wege der bAV den Kapitalerhalt garantieren. Die Vorsorge mit Pensionsfonds fristet nach der Erfahrung von Frank Neuroth, zuständiger Vorstand für betriebliche Altersversorgung beim Versicherer Ergo Leben, ein Nischendasein. Gleiches gilt für Fondspolicen, die im Bereich der Direktversicherungen angeboten werden. Auch sie können stark in Aktien investieren und müssen lediglich den Kapitalerhalt garantieren. Bei Ergo Leben kommen nur etwa zwei Prozent der Beitragseinnahmen über diese Policen. Bei der Direktzusage verpflichtet sich der Arbeitgeber, dem Angestellten eine vorher vereinbarte Rente zu zahlen. Dafür bildet er Rückstellungen. Für den Arbeitnehmer hat dieser Weg den Vorteil, dass der Betrieb auch höhere Beiträge zahlen kann. Das ist gerade für Besserverdiender interessant, deren Gehalt weit über der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Eine Unterstützungskasse können entweder ein Arbeitgeber allein oder mehrere gemeinsam gründen. Diese Kasse erfüllt die Pensionszusagen an die Beschäftigten. Auch hier sind die Beiträge frei dotierbar. Bei einer Pleite des Arbeitgebers sind die bereits gezahlten bAV-Beiträge geschützt. Während hinter der Direktversicherung und der Pensionskasse in der Regel eine Versicherung steht, springt bei der Direktzusage, der Unterstützungskasse und dem Pensionsfonds der Pensionssicherungsverein ein und garantiert die Beiträge. Dafür zahlen alle Unternehmen, die über einen dieser Wege vorsorgen, regelmäßige Beiträge an den Sicherungsverein. Wie viel jeweils fällig wird, errechnet sich aus der Zahl der aktuellen Insolvenzen. Wer seinen Arbeitgeber wechselt, behält seine Ansprüche in jedem Fall, wenn er seine Beiträge über die Entgeltumwandlung gezahlt hat. Schließlich hat der Arbeitnehmer seine Beiträge selbst gezahlt. Bei Beiträgen, die allein der Arbeitgeber entrichtet hat, gibt es Fristen. Zusagen, die ab 2009 erteilt wurden, verfallen nicht mehr, sobald der Arbeitnehmer das 25. Lebensjahr vollendet hat und wenn die Zusage seit mindestens fünf Jahren besteht. Bei Zusagen vor 2001 gilt eine Altersgrenze von 30 Jahren. Diese gilt auch für Zusagen zwischen 2001 und 2008, wenn der Angestellte vor Ende 2013 ausscheidet und der Anspruch länger als fünf Jahre besteht. Die Kombination mit Riester ist möglich, lohnt sich aber nur, wenn der Angestellte den Riester-Vertrag privat abschließt. „Theoretisch könnte der Arbeitgeber auch eine Riester-Direktversicherung abschließen, aber das würde sich sozialrechtlich nicht lohnen“, sagt Ergo-Leben-Vorstand Neuroth. Denn der Sparer würde doppelt Steuern zahlen. Zum einen, weil die Riester-Beiträge nur über die Nettogeldumwandlung bezahlt werden und zum anderen, weil die spätere Rente voll steuer- und sozialabgabenpflichtig ist. Gleichzeitig riestern und in eine bAV einzahlen kann aber für viele zu teuer werden. Wenn ein Arbeitnehmer die Grenzen ausreizt, würde er 2640 Euro für die Betriebsrente aufwenden und 2100 Euro verriestern. Für den deutschen Durchschnittsverdiener sind das mehr als zwei Nettomonatslöhne. Also gilt es, sich zu entscheiden. „Wer eher wenig verdient und viele Kinder hat, für den lohnt sich Riestern wegen der attraktiven Zulagen besonders“, sagt Neuroth. Die betriebliche Vorsorge empfiehlt er allen Arbeitnehmern, speziell jenen mit wenigen oder gar keinen Kindern. Gutverdiener können mit ihrem Arbeitgeber individuelle Vereinbarungen treffen. Vorallem dann, wenn die betriebliche Vorsorge über eine Unterstützungskasse oder als Direktzusage läuft. Weil hier die Beiträge frei dotierbar sind, lassen sich auch größere Versorgungslücken bei Spitzenverdienern schließen. Allen Arbeitgebern empfiehlt Neuroth, nicht nur auf die Entgeltumwandlung zu setzten, sondern selbst mit einzuzahlen. „Eine solche paritätische Lösung ist besser und stärkt auch die Akzeptanz der betrieblichen Altersvorsorge“. Un die hat sie angesichts der mageren Umfragewerte nötig. Es lohnt sich also, nachzufragen und die Lücke zu schließen.

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Erschienen in: €uro am Sonntag, 37/2011
Von: Markus Hinterberger